In ihrem Stand-Up-Comedy-Solo “Allein - A Wild Latina and Her Boundaries. No Love Lost.” erzählt Liliana Velasquez Montoya vom Leben in Kolumbien, USA und Deutschland, von Familie, Liebe, Freundschaft und Sex, von Rassismus, Queerness und Kulturschocks.

Von Mascha Schornstheimer

Natürlich bin ich zu spät. Den Sturm noch im Rücken, lasse ich mich mit entschuldigendem Lächeln auf einen Stuhl ganz vorne in der Ecke fallen, direkt neben der Bar des Wall-Comedy-Clubs. Um mich herum überall gesellige Grüppchen, lachend und wispernd, vor sich Biergläser auf den Tischen. Die Stimmung ist gelöst bis angeheitert. Hey – es ist Freitagabend und wir sind hier um zu lachen. Es ist Freitagabend und ich sitze allen Ernstes ohne Begleitung in einem Comedy Club. Auf einmal komme ich mir wahnsinnig deplatziert vor. Allein, zerzaust, müde. Direkt aus dem Theater im Delphi hierher gestürmt, um noch mehr vom PAF mitzunehmen. Wenigstens habe ich noch nichts verpasst.

Denn spät ist zum Glück auch Liliana Velasquez Montoya, als sie auftritt. Unter Beifall nimmt sie die Bühne in Besitz. Eine hochgewachsene Gestalt in Gold und Highheels. Ein Lächeln, zu breit für den schmalen Raum. Jede Bewegung energisch und präzise. „No, don‘t stop clapping, please!“, ruft die Diva. Sie weiß, sie hat uns bereits um den kleinen Finger gewickelt.

Schließlich ist Liliana Profi. Seit sie 2014 nach Berlin gezogen ist, tritt sie regelmäßig auf. Neben Stand-Up-Comedy tanzt sie Contemporary und traditionellen argentinischen Tango. Bereits in ihren frühen 20ern hat sie ihre kreativen Talente in New York ausgelebt. Eine Full-Time-Performerin also. Jede Geste, jedes Wort sitzt.

Ihr erstes Thema des Abends ist Geld. „I love money and money loves me!” Ein Mantra, das sie das Publikum mitrufen lässt. Aha, jetzt manifestieren wir uns also in Geld? Tatsächlich. Liliana sagt, alles an uns lasse sich zu Geld machen. Money überall. Meine anfängliche Sympathie zu dieser schillernden Frau gefriert. Habe ich wirklich 13,20 Euro bezahlt für einen Abend hemmungsloser Kapitalismusliebe? Muss ich mir jetzt ernsthaft anhören, dass Geld mir dank eines Mantras zufliegt? Dass ich jeden Zentimeter Körper, Geist und Seele vermarkten soll, aus allem Geld machen? Ich spreche mit, aus Angst, die Comedienne könnte es merken, wenn ich nur die Lippen bewege, so wie bei dem Mann drei Tische weiter. Er muss nochmal alleine ganz laut „I love money!“ schreien. Ich habe weder Lust bloßgestellt zu werden, noch mich hier über Kapitalismus zu streiten. Zum Glück bleibt mein fehlender Enthusiasmus unbemerkt.

Und zum Glück ändert sich die Richtung des Abends. Liliana steigt aus ihrem goldenen Kostüm und zeigt uns ihre wahre Haut: einen schwarzen Latexanzug mit tiefem Rückenausschnitt. Ihre Stimme ist jetzt schwerer, füllt den ganzen Raum, wie Stoff. Sie erzählt von den Herausforderungen, als neugieriges, queeres Kind in eine kolumbianische Großfamilie geboren zu werden. Davon, als Anchor Baby ihren Eltern die US-amerikanische Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Und davon, wie sie in Deutschland zum ersten Mal als „exotic“ bezeichnet wurde. Kulturschocks, Rassismus, Queerness und mehr Kokain-Witze, als ich in meinem Leben gehört habe – in nur 60 Minuten. Liliana erzählt von Familie, von Mutter und Schwestern, von Sex und Beziehungen, aber vor allem immer wieder vom Alleinsein.

Dabei ist nicht jeder Witz zwingend originell, aber Lilianas Performance grandios treffsicher. Selbst das altbekannte Nachmachen davon, wie stocksteif Deutsche reden und agieren, ist bei ihr absurd komisch. Die Dreisprachigkeit des Programms (überwiegend Englisch, mit Passagen in Spanisch und Deutsch) macht wahnsinnig Spaß, weil sie die Sprachen nicht nur spricht, sondern verkörpert. Sie macht auch nicht nur Witze, sondern thematisiert Fragen von Identität, Kultur und Lebensweise, mal satirisch, mal berührend. Hin- und mitgerissen von Lilianas Persönlichkeit, habe ich ihren bizarren Einstieg schon fast wieder vergessen.

Nach einer Stunde lachen wird es kurz ernst. Liliana spricht über Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Über das Alleinsein im Leben. Dann noch eine knallige Pointe über die Dominatrix Destiny und ihre eigene Mutter. Jubel, Gelächter und Applaus. Liliana lädt uns noch ein, zu bleiben für ein kleines Single-Mingle. Ich aber werfe mich wieder dem Wind draußen entgegen, allein und ziemlich zufrieden damit.

Das Programm wird noch heute, am 28.05 um 18:00 Uhr im Wall-Comedy-Club in der Grünberger Straße gespielt.