Angst ist was Gesundes
Von Tommy Lehmpuhl
„Willst du mit in die große Stadt?”, fragt die Stadtmaus (Katrin Hentschel) die ängstliche Landmaus (Martin Clausen). Zusammen ergründen sie die Skurrilität des Alltagslebens in der Stadt: Was ist ein Kühlschrank? Wozu nutzen wir einen Fernseher? Von ihrer kleinen Wohnung aus geht es durch den anstrengenden Berufsverkehr zum Nine-to-Five-Job, den die Stadtmaus absolviert, um nur fürs Wochenende zu leben. Gekleidet in einem glitzernden Jumpsuit unter der Tiermaske, kommentiert die Stadtmaus immer wieder: „Jeden Morgen und jeden Abend dasselbe."
Hentschel, Clausen und Rafał Dzemiedok vermischen in „Stadt Land Angsthase“ die bekannten Kinderbücher „Die Landmaus und die Stadtmaus” und „Der kleine Angsthase” der irischen Autorin Elizabeth Shaw und geben ihnen einen Gegenwartstwist. Die Landmaus, kostümiert in einem eintönig grünen Kleid, verspürt große Sorge vor den gesellschaftlichen Erwartungen, die in der Stadt auf sie zukommen. Nach ein paar Tänzen und einer Gesangseinlage begreift sie allerdings, dass es okay ist, ängstlich zu sein. Denn „Angst ist was Gesundes, weil es bedeutet, dass wir kämpfen“.
In der brennenden Sonne vor dem Centre Français Berlin bekommt das Publikum zunächst kleine Päckchen, gefüllt mit Traubenzucker und Zetteln voller Fragen, um die Zuschauenden zum Diskutieren zu bringen. Später beginnen Hentschel, Clausen und Dzemiedok Gespräche mit Passant*innen, die zufällig vom Gehweg aus zuschauen. Einzig ein roter Teppich markiert die Spielfläche, auf dem die Mäuse zur Arbeit gehen – sie laufen von links nach rechts, schon sind sie am Ziel. Alles ein wenig schlicht, aber auch sehr liebenswert, minimalistisch, aber mit Charme.
„Stadt Land Angsthase“ will praktische Hinweise geben, „um unser Miteinander und Klima sinnerfüllter zu gestalten”, wie es in der Ankündigung heißt. Dabei reißt das Stück in 50 Minuten vieles an, bleibt aber auch an der Oberfläche. Die Botschaften, lieber Fahrrad zu fahren als Auto oder weniger Plastiktüten beim Einkauf zu nutzen, sind zwar angenehm undogmatisch in die Dialoge integriert, aber sie bewegen sich doch sehr im Rahmen des Erwartbaren. Allerdings gibt es das Angebot, diese Gedanken zu vertiefen – nach der Performance wird das Publikum eingeladen, gemeinsam mit dem Team zu kochen und zu essen und sich dabei zu unterhalten, ganz gleich, ob über Land- oder Stadtthemen.