Der will nur spielen
Von Georg Kasch
Wo sind wir hier? Im Zoo? Im Zirkus? Im Varieté? Auf der Bühne steht ein Bär. Um ihn ein Käfig aus Seilen. Eigentlich wirkt diese Zelle ganz gemütlich: eine Matte gibt es, ein altes Radio, auch einen Bierkasten mit zwei Kissen drauf. Und einen Brummkreisel, den der Bär auch gleich in Gang setzt.
Wer in Lena Binskis Soloperformance „WHY NOT THE BEAR? #THECAGE” an Bummi denkt oder Mischa oder ähnliche (ostdeutsche und russische) Kinderbuchfiguren, liegt vermutlich nicht verkehrt. Im kleinen ACUD Theater – viel mehr als 50 Personen passen nicht in die vier Stuhlreihen – steckt die Künstlerin in einem kuscheligen Kostüm mit derart herzigen Kulleraugen, dass von Anfang an klar ist: Gefährlich wird’s nicht. Eher komisch. Denn der Bär dehnt und streckt sich, macht Musik, setzt sich auf den Nachttopf. Ein wenig scheint er sich zu langweilen. Und nicht so recht zu begreifen, dass er seinem Käfig problemlos entkommen könnte: Einmal verheddert er sich mit seinem kleinen Teppich in die Seile des Käfigs, befindet sich plötzlich außerhalb, dann wieder drinnen, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen.
Natürlich könnte man das – gerade bei einer Künstlerin, die aus Russland kommt – als Kommentar auf ein Leben in einem totalitären Staat interpretieren. Aber vermutlich wäre das zu viel Ballast für diesen kleinen, charmanten Abend, der vor allem eines will: spielen. Binski hat ihre Bewegungen genau gearbeitet und an der Pantomime geschult. Kein Griff, keine Geste ist zufällig.
Spielen will der Abend aber auch mit dem Publikum. Denn der Bär lockt mit Freibier (über eine kleine Tafel, auf die er mit Kreide in Englisch schreibt – hören lässt er nur ein Brummen). Schnell sitzt ein erster Zuschauer im Käfig. Und weil ein Flaschenöffner fehlt, sitzt auch bald eine zweite Zuschauerin daneben. Der Bär animiert sie dazu, Passagen vorzulesen, die beschreiben, wie ein Mensch sich verhalten sollte, wenn er einem Bären in freier Wildbahn begegnet. Natürlich ist das lustig, wenn der Ratgeber empfiehlt, direkten Blickkontakt zu vermeiden – und der Bär ihn mit seinen Kulleraugen sucht.
Eine schräge Karaokerunde später ist der Käfig voll mit Menschen. Alles löst sich auf, im Tanz, im Fest. So verlässt man nach nur 45 Minuten eine freundlich-umarmende Late-Night-Performance, die bei all den großen Themen, die beim PAF verhandelt werden, vielleicht ein wenig harmlos, aber eben auch erfreulich fröhlich wirkt.