Hat das für dich Sinn gemacht?

„Bubble Sinn“ im Acker Stadt Palast stellt die Frage aller Fragen

Von Sophie Meub

Die Luftpolsterfolie knistert unter den Füßen des Publikums, dass sich vorsichtig aus dem Theatersaal des Acker Stadt Palasts tastet. Alles in der Theaterlounge ist auf einmal komplett in Bubblewrap gewickelt und wird von Nebelwolken umgeistert. Jede Bewegung hat eine Auswirkung, bringt die Bläschen zum Platzen. Vorsichtig tapst man also in Richtung Ausgang, wo man in ratlose, aber auch nachdenkliche Gesichter blickt: Hat das für dich Sinn gemacht?


Frei von einer linearen Narration versucht die „interdisziplinäre performative Untersuchung“ (so der Untertitel) „Bubble Sinn“ herauszufinden, wie und wo in unserem Leben Sinn entsteht. Es ist die Performance eines vierköpfigen Künstlerkollektivs, das keine Angst vor den großen Fragen hat und ihnen mit einem wilden Cocktail an Medienformaten und Sinneseindrücken begegnet. Verwirrung ist ausdrücklich erwünscht!

Die Frage nach dem Sinn wird auf der leeren, schwarzen Bühne von zwei Performer*innen (Anete Colacioppo, die auch den Acker Stadt Palast leitet, und Zé de Paiva) verhandelt, die auf kreative (oder sogar unsinnige?) Weise mit einer Leiter, einer Wippe und meterweise Bubblewrap die Sinnzusammenhänge unserer Welt infrage stellen. Dieses Bühnengeschehen wird durch Projektionen ergänzt, die so schnell und willkürlich auf den Wänden und dem Boden auftauchen, dass man ihnen kaum folgen kann. Manchmal sind es Textpassagen, die in ihre Satzteile zerstückelt werden.

Oft sind es aber auch Videos von Menschen (Freunde des Kollektivs und Zuschauer*innen), die auf der Luftpolsterfolie sitzen, in die Kamera blicken und versuchen, eine Frage zu beantworten: „Was macht für dich Sinn und was macht keinen Sinn?“ Darauf hat jeder einiges zu sagen. Nur kommt es nicht beim Publikum an, da die Tonspuren inklusive elektronischer Störgeräusche so überlagert werden, dass am Ende nur eine unverständliche, akustische Sinnsuppe bleibt. Man will es den Zuschauenden ja nicht zu einfach machen!

Wenn es dann doch mal zu bunt wird, befreien die Spieler*innen sich aus ihrem Performance-Korsett und fragen bei der Dramaturgin nach: Dann wird Carla Bessa via Zoom-Call auf die Bühne projiziert, wo sie ihnen – und vielleicht uns Zuschauer*innen – erklärt, was sie da eigentlich auf der Bühne machen, wenn sie einander taxierend über Wippen wandern oder die Wand immer wieder mit Luftpolsterfolie verhängen.

Aber auch die Darstellenden durchbrechen an einigen Stellen das Chaos und sprechen mit entschiedener Deutlichkeit: Anete Colacioppo trägt eine politikwissenschaftliche Hypothese vor, die den egoistischen Umgang der gesellschaftlichen Eliten mit der Klimakatastrophe entschlüsselt. Klingt sinnvoll, passt also ins Konzept. Auch die Corona-Lockdowns als ultimative Blase oder die Theorie des Schmetterlingseffekts werden mit in den Topf geworfen.

Das Highlight des Abends sind die beiden Performer*innen, die ihre Sinnsuche mit so viel Charme und Ehrlichkeit versehen, dass man ihr chaotisches Treiben gerne verfolgt. Sie ringen miteinander, wetteifern um das Spotlight und verheddern sich in meterweise Bubblewrap. Mal sind sie mehr, mal weniger bekleidet, reden wahlweise Deutsch oder Portugiesisch und ändern im Minutentakt die Richtung und den Stil ihrer Performance.

Es ist ein Abend, bei dem viele Ideen ventiliert werden und jeder für sich schauen muss, was hängenbleibt. Ein Konzept, das leicht prätentiös wirken könnte, wird hier mit freundlicher Bodenständigkeit und auf Augenhöhe mit dem Publikum präsentiert. Klare Antworten traut sich zwar niemand zu. Aber manchmal ist es eh wichtiger, sich gemeinsam die richtigen Fragen zu stellen.